Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) kritisiert die heutige Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die Erstfassung der Richtlinie zur Ersteinschätzung des Versorgungsbedarfs in der Notfallversorgung. Dazu erklärt der DKG-Vorsitzende Dr. Gerald Gaß:
„Mit dem heute getroffenen Beschluss zum Einschätzungsverfahren missachtet der G-BA den Auftrag des Gesetzgebers und trifft Regelungen, die die Versorgung von ambulanten Notfällen zum Nachteil der Patienten stark einschränken.
Die jetzt getroffene Entscheidung hat zur Folge, dass ein wesentlicher Teil von hilfesuchenden Patientinnen und Patienten an Tresen der Notaufnahmen in den Krankenhäusern abgewiesen werden muss, ohne dass der konkrete Hilfebedarf der Patienten durch eine ärztliche Untersuchung eingeschätzt wird. Dies hat die Stimmenmehrheit im G-BA aus Krankenkassen und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) gemeinsam mit den unparteiischen Vorsitzenden so festgelegt. Da bis heute und auch absehbar kein valides Ersteinschätzungsverfahren existiert, dass es erlaubt, ambulante Notfälle medizinisch exakt und verlässlich in dringende und weniger dringende Fälle einzuteilen, hatte sich die DKG bis zuletzt im G-BA dafür eingesetzt, dass Krankenhäuser keine Patienten abweisen müssen, ohne dass eine ärztliche Einschätzung der Dringlichkeit und ggfs. eine Erstversorgung erfolgt. Eine solche Abweisung von Patienten ohne ärztliche Abklärung ist aus Sicht der DKG bis auf weiteres nur dann möglich, wenn eine im Krankenhaus unmittelbar erreichbare Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung diese Patienten direkt übernehmen kann.
Aus Sicht der DKG ist dies ein klarer Verstoß des G-BA gegen den gesetzlichen Auftrag und muss deshalb jetzt im weiteren Verfahren auch durch die Rechtsaufsicht im Bundesgesundheitsministerium gestoppt werden.
Darüber hinaus sollen nach dem G-BA-Beschluss ab dem Jahr 2027 in allen ambulanten Notaufnahmen am Tresen 24/7 speziell weitergebildete Notfallpflegekräfte tätig werden. Diese hochqualifizierten Pflegekräfte, die nach Entscheidung der Kostenträger, der KBV und des unparteiischen Vorsitzenden als Tresenkraft eingesetzt werden sollen, werden jedoch viel dringender in der Notfallambulanz in Behandlungs- und Schockräumen gebraucht. Pflegekräfte mit einer solchen Zusatzqualifikation sind weder heute noch absehbar in Zukunft in der vom G-BA geforderten Anzahl verfügbar. Konkret wird dies dazu führen, dass heute noch existierende ambulante Notaufnahmen perspektivisch schließen oder ihre Öffnungszeiten drastisch einschränken müssen. Diese Entscheidung des G-BA zeigt, dass weder die Krankenkassen noch die KBV Interesse an einer flächendeckenden Notfallversorgung haben, obwohl allgemein bekannt ist, dass die Notfallversorgungsstrukturen der Kassenärztlichen Vereinigungen große Lücken aufweisen und viele Patienten vor allem deshalb die Notfallambulanzen der Krankenhäuser aufsuchen.
Gänzlich praxisfremd ist auch die Entscheidung hinsichtlich des einzusetzenden Ersteinschätzungsinstruments. Festgelegt wurde, dass ab dem 1. März 2025 ein Instrument eingesetzt werden muss. Bis dato liegt aber kein einziges wissenschaftlich ausreichend validiertes und in der Fachwelt anerkanntes System vor. Der Beschluss fußt also auf der Hoffnung, dass binnen kurzer Zeit ein System patientensicher validiert und geprüft ist und flächendeckend eingesetzt werden kann. Dies ist mehr als unrealistisch.
Die DKG hatte ihr eigenes Konzept vorgeschlagen. Sie hatte dafür geworben, dass Bürgerinnen und Bürger, die – bis zur Etablierung der von der Regierungskommission vorgeschlagenen integrierten Leitstellen – Hilfe in Notaufnahmen suchen, nicht am Tresen abgewiesen werden müssen, ohne dass eine fundierte ärztliche Einschätzung über die Dringlichkeit des Falles möglich ist. Natürlich leiten Notaufnahmen gerne großzügig weiter, wenn es eine Notdienstpraxis vor Ort gibt. Ansonsten müssen aber alle Hilfesuchende von einer Ärztin oder einem Arzt gesehen werden und nach einer ersten ärztlichen Untersuchung oder einer erforderlichen Erstbehandlung dann den Code für die Termin-Servicestelle erhalten, damit sie zeitnah einen Termin beim Vertragsarzt bekommen können. Das wäre ein gesetzeskonformer, und vor allem ein Vorschlag im Sinne der Patientinnen und Patienten gewesen.“