PRESSE

DKG zum WIdO-Krankenhausreport

Versorgung Hochaltriger ist herausfordernd – aber auch Ausdruck unseres gesellschaftlichen Fortschritts

Zur heutigen Veröffentlichung des Krankenhaus-Reports 2025 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) erklärt Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG):

„Die wachsende Zahl hochaltriger Patientinnen und Patienten stellt zweifellos eine große Herausforderung für unser Gesundheitssystem dar. Gleichzeitig ist es ein Ausdruck unserer humanitären Werte, dass in Deutschland medizinische Hilfe nicht an Altersgrenzen endet. Wir sehen in der steigenden Lebenserwartung nicht nur eine Last, sondern auch eine Verantwortung – und eine Chance.“

Die DKG begrüßt, dass der aktuelle Krankenhaus-Report die demografische Entwicklung ins Zentrum rückt und die Versorgung Hochaltriger differenziert betrachtet. Die Realität in den Krankenhäusern zeigt täglich: Hochbetagte Menschen bringen komplexe Krankheitsbilder, einen hohen Pflegebedarf und besondere Anforderungen an die Versorgung mit sich. Kliniken leisten hier bereits heute Enormes – oft unter schwierigsten Bedingungen.

Die DKG warnt vor einer verkürzten Sicht auf das vermeintlich hohe „Vermeidungspotenzial“ stationärer Behandlungen. „Wenn Pflegebedürftige ins Krankenhaus kommen, dann meist aus gutem Grund – oft, weil ambulante Strukturen nicht verfügbar oder überfordert sind. Wer Krankenhausaufenthalte reduzieren will, muss zuerst für flächendeckend erreichbare, gut finanzierte und personell ausgestattete Alternativen sorgen“, so Gaß.

Die Kliniken selbst sind in aller Regel gut vorbereitet – doch sie können die Versäumnisse in der ambulanten Versorgung nicht dauerhaft kompensieren. Geriatrische Rehabilitation, koordinierte Kurzzeitpflege und funktionierende Übergänge zwischen ambulanter und stationärer Versorgung müssen gestärkt werden, um Versorgungslücken zu schließen.

Wer die Zahl stationärer Aufenthalte verringern will, muss nicht nur die ambulanten Strukturen im niedergelassenen Bereich stärken, sondern auch die Rolle der Krankenhäuser in einer sektorenübergreifenden Versorgung neu denken. Die DKG sieht in der gezielten Erweiterung ambulanter Leistungen am Krankenhaus einen wichtigen Hebel für effizientere Versorgungsketten – insbesondere im Bereich der Prävention, Rehabilitation und Nachsorge. „Viele Patientinnen und Patienten landen im Krankenhaus, weil es an vorgelagerten wohnortnahen Angeboten fehlt – nicht, weil Kliniken falsch organisiert wären. Wir brauchen eine Versorgungslandschaft, in der die Krankenhauskompetenz frühzeitig eingebunden wird, um vermeidbare Einweisungen und Wiederaufnahmen zu verhindern“, erklärt Gaß.

Gerade bei chronisch erkrankten und multimorbiden Menschen können begleitende Therapien, strukturierte Nachsorgeprogramme und kliniknahe ambulante Leistungen dazu beitragen, Verläufe zu stabilisieren und unnötige Belastungen für die stationäre Versorgung zu vermeiden. Zugleich würde eine solche Vernetzung neue attraktive Einsatzfelder für Pflegekräfte, Therapeutinnen und Therapeuten und spezialisierte Versorgungsteams eröffnen. Es wird entscheidend sein, das Personal gezielt von bürokratischen Lasten zu befreien. Nur wenn die Entbürokratisierung tatsächlich gelingt, kann das vorhandene Personal dem demografischen Wandel und der steigenden Belastung trotz Fachkräftemangel überhaupt ansatzweise etwas entgegensetzen. Wenn Ärzte und Pflegekräfte täglich nur eine Stunde weniger mit bürokratischer Arbeit verbringen müssten, könnten rechnerisch rund 22.100 Vollzeitstellen im ärztlichen Dienst und etwa 49.000 im Pflegedienst freiwerden.

Die DKG unterstützt die Forderung des AOK-Reports nach stärkerer Prävention. Viele alterstypische Erkrankungen könnten bei frühzeitiger Diagnose oder durch gesundheitsfördernde Maßnahmen abgemildert oder verzögert werden. Hierzu braucht es aber mehr als Appelle: „Prävention funktioniert nicht ohne Strukturen, Programme und Anreize – gerade im höheren Alter. Wir brauchen gezielte Präventionsangebote für Senioren, in Pflegeheimen wie auch im häuslichen Umfeld. Das ist keine Einsparmaßnahme, sondern eine Investition in Lebensqualität“, so Gaß.

Die Krankenhausreform muss die Realität einer alternden Gesellschaft stärker einbeziehen. Hochaltrige werden in den kommenden Jahren einen immer größeren Teil der stationären Versorgung beanspruchen. Das muss sich in der Finanzierung, in der Planung und in der Ausgestaltung der Leistungsgruppen widerspiegeln. „Es reicht nicht, mit der Reform abstrakte Strukturziele zu formulieren. Wir müssen uns fragen: Wie wollen wir die Versorgung einer Million zusätzlicher Hochaltriger in zehn Jahren konkret sicherstellen?“, sagt Gaß.

Die DKG teilt das Ziel einer sektorenübergreifenden Versorgung, warnt jedoch davor, die Rolle der Krankenhäuser systematisch zu schmälern. Hochaltrige Menschen benötigen häufig komplexe Diagnostik, sichere Überwachung und professionelle Pflege – all das kann nicht flächendeckend im ambulanten Bereich aufgefangen werden. „Ambulante und stationäre Strukturen gehören zusammen. Wir brauchen keine ideologisch getriebene Verlagerung, sondern pragmatische Lösungen entlang der realen Bedürfnisse älterer Menschen“, so Gaß.

Die DKG fordert einen gesellschaftlichen Konsens darüber, wie mit den Bedürfnissen einer alternden Gesellschaft umgegangen wird – nicht nur unter Kostenaspekten, sondern auf Grundlage von Würde, Teilhabe und Fürsorge. „Es ist gut, dass Menschen in Deutschland auch mit 90 oder 95 Jahren Anspruch auf medizinische Hilfe und Mitmenschlichkeit haben. Das ist keine Schwäche, sondern ein Ausdruck unserer Stärke als Gesellschaft“, betont Gaß.

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