Am dritten Tag des Deutschen Krankenhaustages ist die Pflege in den Mittelpunkt gerückt – genauer gesagt: der Weg des Patienten durch das gesamte Versorgungssystem. Schon zu Beginn der Veranstaltung machte Dr. Sabine Berninger, Vorstandsvorsitzende des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe Südost e. V. (DBfK)/stellv. Vorsitzende des Bayerischen Landespflegerats (BLPR) deutlich, dass Versorgung nur dann funktionieren kann, wenn sie ganzheitlich gedacht und sektorenübergreifend gestaltet wird. Versorgung beginne nicht erst im Krankenhaus, und sie ende dort auch nicht. Gerade deshalb komme Pflegefachpersonen eine tragende Rolle zu. Berninger betonte, dass professionelle Pflegeversorgung und Pflegequalität kein Luxus seien. „Sie sind kein optionaler Wohlfühlfaktor, sondern die Grundlage jeder sicheren Patientenversorgung.“ Wer das nicht verstehe und die Pflege nicht neu denke, gefährde nicht nur die Attraktivität der Pflegeberufe, sondern die Versorgung der gesamten Bevölkerung. Ihr Fazit: Eine Krankenhausreform, die Pflege nicht konsequent mitdenkt, greift zu kurz.
Jens Albrecht, Vizepräsident der Pflegekammer NRW erklärte: „Wir betonen häufig, dass der Patient im Mittelpunkt steht. Bei uns bleibt das nicht bloß ein Grundsatz, sondern wird zum leitenden Prinzip: Wir verstehen die Patientenperspektive als wegweisendes Element unseres Handelns. Pflege ist dabei die tragende Säule im Gesundheitswesen – sie ist die einzige Berufsgruppe, die Menschen kontinuierlich durch alle Phasen ihrer Versorgung begleitet.“ Für ihn muss deshalb der Schwerpunkt dauerhaft auf Prävention liegen. Prävention brauche frühzeitige Verankerung im Lebensalltag zukünftiger Pflegeempfangenden, und hier komme dem Konzept des pflegerischen Lotsen besondere Bedeutung zu. „Pflegefachpersonen können interdisziplinär vernetzen, koordinieren und diese Strukturen langfristig festigen – ein entscheidender Beitrag für ein zukunftsfähiges Versorgungssystem“, so Albrecht.
Für Barbara Steffens, Leiterin der Landesvertretung NRW der Techniker-Krankenkasse, ist das eigentliche Problem nicht neu. „Uns fehlen Ressourcen – zu wenig Personal, zu wenig Geld. Das bedeutet, wir müssen deutlich effizienter werden. Könnten wir uns etwas wünschen, würden wir das Gesundheitssystem komplett neu denken. Entscheidend ist aber vor allem der Übergang vom heutigen in ein zukünftiges System. Dazu gehört die zentrale Frage, wer künftig welche Rolle übernimmt. Auch in der Pflege müssen wir die vorhandenen Ressourcen anders und klüger nutzen. Der Blick in andere Länder zeigt, dass vieles möglich ist, wenn man sich traut, Aufgaben neu zu verteilen und mutiger zu organisieren.“
Für die Kliniken sei entscheidend, wer die Leistung für den Patienten bestmöglich anbieten könne. Und dies müsse auch immer wieder überprüft werden, so Dr. Peter-Johann May von der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW): „Wir stehen innovativen Versorgungskonzepten grundsätzlich offen gegenüber – vorausgesetzt, sie funktionieren in der Praxis und verbessern Abläufe sowie Versorgung tatsächlich. Mit dem neuen Gesetz ergeben sich zahlreiche Chancen. Trotzdem müssen wir sehr genau prüfen, wie es dann umgesetzt wird. Denn es braucht Konsequenz bei der Umsetzung. Im stationären Bereich sehen wir schon jetzt, dass Aufgaben anders verteilt werden können. Doch diese Strukturen sind bisher nicht gesetzlich abgesichert. Es wäre sinnvoll, das, was informell gut funktioniert, verbindlich zu machen – ohne das System unnötig zu verkomplizieren.“
Die neue Rolle aber auch das neue Selbstbewusstsein der Pflege zeigte sich in der Aussage von Leah Dörr, Vorstandsmitglied der Pflegekammer NRW. „Ich bin kein Mini-Doc, ich bin eine Big Nurse“. An diesem neuen Rollenverständnis werden sich nicht nur Gesetzgebung, sondern auch der Alltag und die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Professionen messen lassen müssen.
Lina Gürtler aus dem Bundesvorstand des DBfK warf einen Blick auf die Versorgungsstrukturen und die Vernetzung. Einzelne Änderungen – etwa nur im SGB XI oder SGB V – reichten nicht aus. Vielmehr müssten mehrere Gesetzbücher nachjustiert werden, um echte Schnittstellen zu schaffen. „Entscheidend ist, dass wir die Menschen in ihren Lebensrealitäten abholen – und diese orientieren sich nun einmal nicht an Paragrafen einzelner Sozialgesetzbücher.“
Sie betonte zudem, dass dringend über die Finanzierung nachgedacht werden müsse. Es reiche nicht aus, weiterhin nur Einzelleistungen zu vergüten. „Wir müssen endlich den gesamten Pflegeprozess finanzieren – inklusive Beziehungsarbeit und Zeit für Abstimmungen an den Schnittstellen. Im Moment werden wir beispielsweise nicht dafür bezahlt, in der Apotheke Rezepte zu klären oder mit Ärztinnen und Ärzten darüber zu sprechen, warum eine Verordnung nicht ausgestellt werden kann. Hier braucht es dringend Reformen“, so Gürtler.