Der zweite Tag des Deutschen Krankenhaustages wurde durch das gemeinsame Forum des Verbandes leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte (VLK) und des Marburger Bundes (MB) eröffnet. Die Veranstaltung zeigte eindrücklich, wie vielfältig die Herausforderungen für Ärztinnen und Ärzte in der modernen Krankenhauslandschaft geworden sind.
Im ersten Themenblock stand die Rolle der Künstlichen Intelligenz im Mittelpunkt. Der Präsident des VLK, PD Dr. Michael Weber, betonte in seiner Einführung: „Künstliche Intelligenz kann ein wesentlicher Gamechanger sein. Die entscheidende Frage lautet: Wie viel Kontrolle braucht es – und wie viel Erleichterung bringt KI tatsächlich?“
PD Dr. med. Peter Bobbert, Internist und Vorstandsmitglied des Marburger Bundes, unterstrich die wachsende Bedeutung der Technologie und warnte zugleich vor einem Festhalten an überholten Rollenbildern. „Die Wahrscheinlichkeit, dass KI die Medizin revolutioniert und ärztliche Tätigkeit disruptiv verändert, ist hoch“, sagte Bobbert. „Wer glaubt, dass ärztliche Tätigkeit alternativlos ist, wird auf fatale Weise scheitern.“ Gleichzeitig hob er die Rolle der Profession hervor: „Ärztinnen und Ärzte sind der Garant dafür, dass technologischer Fortschritt in der Medizin nicht kommerziellen Interessen, sondern der gesundheitlichen Versorgung der Menschen dient.“
Florian Schwieker, Chief Partnership Officer beim dänischen Healthtech-Unternehmen Corti, betonte die Notwendigkeit praxistauglicher Lösungen: „Deutsche Kliniken brauchen keine zusätzliche IT-Last, sondern eine KI-Infrastruktur, die administrative Arbeiten reduziert, klinische Sicherheit stärkt und vom ersten Tag an datenschutzkonform ist.“ Moderne Systeme könnten dies „durch die nahtlose Integration in bestehende Strukturen wie KIS, RIS oder PACS und durch seit Jahren bewährte Plattformen leisten, die dem Klinikpersonal Zeit zurückgeben, statt zusätzliche Aufgaben zu schaffen“, so Schwicker.
Im weiteren Verlauf rückten die Themen Personalbemessung und Entbürokratisierung in den Fokus. PD Dr. Weber machte deutlich, dass beide Bereiche untrennbar miteinander verbunden seien. „Personalbemessung und Bürokratieabbau müssen zusammen gedacht werden“, sagte er. „Wir können uns keine zusätzliche Bürokratie ohne medizinischen Nutzen leisten, sonst verlieren wir die ärztliche Arbeitskraft für die Versorgung.“
Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes, stellte heraus, dass auf dem Deutschen Krankenhaustag entscheidende Impulse gesetzt werden. „Mit Recht wird Mut zu Veränderungen gefordert. Diesen Mut brauchen wir jetzt dringend mit einem Reset der hohen Bürokratielast. Hände weg vom Schreibtisch- hin zur Patientenversorgung. Das wünschen sich die Patienten genauso wie Pflegende und Ärzte. Der Titel ‚Menschen machen Medizin‘ trifft es genau“, so Johna. Sie nahm die zunehmende Bürokratie aber auch die Chance einer Personalbemessung in den Blick: „Wir erleben seit Jahren einen schleichenden, mittlerweile fast permanenten Bürokratieaufbau und eine zunehmende Arbeitsverdichtung. Deshalb brauchen wir ein ärztliches Personalbemessungsinstrument, das wirklich abbildet, was Ärztinnen und Ärzte tatsächlich leisten. Über 105 Aufgaben, die nicht direkt am Patienten sind – teils durch gesetzliche Vorgaben wie Hygienebeauftragte – haben wir detektiert. Wir wollen und müssen den realen ärztlichen Personalbedarf bemessen. Dabei ist klar: Eine Personalbemessung kann keine One-size-fits-all-Lösung sein. Allein bauliche Rahmenbedingungen beeinflussen die benötigten Zeiten – je nach Abteilung, je nach Krankenhaus. Besonders spannend ist, dass sich daraus ganz praktische Erkenntnisse ergeben. In manchen Häusern hat man festgestellt, dass lange Wege zu bestimmten Geräten enorm viel Zeit kosten. Wird ein weiteres Gerät in der Nähe der Abteilung platziert, spart das so viel Arbeitszeit ein, dass es sich sofort auszahlt.“
Auch Sabrina Krause, Leiterin Abteilung Krankenhauspersonal im Geschäftsbereich Krankenhauspersonal und Politik der Deutschen Krankenhausgesellschaft, unterstrich die Notwendigkeit grundlegender Veränderungen. „Personalbemessung im Krankenhaus muss wieder als Gestaltungsinstrument verstanden werden – mit allen Freiheiten für einen innovativen und am Versorgungsbedarf orientierten Personaleinsatz, genau dort, wo es die individuellen Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten erfordern“, erklärte sie. „Heute aber erleben wir übermäßig detaillierte und sich teilweise überschneidende Personalvorgaben sowie kleinteilige Nachweispflichten, die übermäßige Bürokratie erzeugen. Sie behindern damit einen effizienten Personaleinsatz, mindern die Attraktivität der Arbeitsplätze und widersprechen der im Koalitionsvertrag angekündigten Vertrauenskultur. Auch in der Personalbemessung brauchen wir gegenseitiges Vertrauen und eine Innovationskultur statt Misstrauen und Dirigismus.“