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GEMEINSAME PRESSEMITTEILUNG

Jahresbericht 2016/2017 der Prüfungskommission und der Überwachungskommission zur Prüfung der Herz-, Lungen-, Leber-, Nieren- und Pankreastransplantationsprogramme vorgelegt

Die für die Prüfung der Transplantationszentren zuständigen Kontrollgremien haben eine positive Zwischenbilanz ihrer zweiten Prüfperiode gezogen. Für die allermeisten Kliniken sei es selbstverständlich, sich an die Richtlinien für die Organvergabe zu halten, betonten die Vorsitzenden von Prüfungskommission und Überwachungskommission in gemeinsamer Trägerschaft von Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband bei der Vorstellung ihres Jahresberichts 2016/2017 in Berlin. "Wir werden auch künftig jeder Unregelmäßigkeit nachgehen, um so das Vertrauen in die Organspende weiter zu stärken", sagte Prof. Dr. med. habil. Dr. h.c. Hans Lippert, Vorsitzender der Überwachungskommission. Lippert dankte insbesondere den Landesministerien, die als Aufsicht der Transplantationszentren verbindlich in die Kontrollen einbezogen sind. "Wir arbeiten in der Regel eng mit den Ministerien zusammen, um einen schnellen und umfassenden Informationstransfer zu ermöglichen."

Seit dem Jahr 2012 nehmen Prüfungskommission und Überwachungskommission in 3-Jahres-Abständen verdachtsunabhängige Prüfungen aller Transplantationsprogramme vor. In diesem Jahr haben die Kommissionen 59 Transplantationsprogramme auf der Basis der Krankenakten von mehr als 1.900 Empfängern postmortal gespendeter Organe aus den Jahren 2013 bis 2015 überprüft. „Prüfgegenstand ist unverändert die Frage, ob bei den Anmeldungen zur Warteliste und insbesondere bei den Hochdringlichkeitsanträgen an Eurotransplant gegen die Richtlinien der Bundesärztekammer für die Wartelistenführung und die Organvermittlung verstoßen wurde“, erläuterte die Vorsitzende der Prüfungskommission, Vorsitzende Richterin am Kammergericht i. R. Anne-Gret Rinder.

Wie aus dem Jahresbericht von Prüfungskommission und Überwachungskommission hervorgeht, haben sich bei den abgeschlossenen Verfahren im Bereich der Nieren-, Pankreas- und kombinierten Nieren-Pankreastransplantationen sowie der Lungentransplantationen keine Auffälligkeiten ergeben. Auch die bereits abgeschlossenen Prüfungen der Herz- und der Lebertransplantationsprogramme bestätigen, dass der ganz überwiegende Teil der Zentren ordnungsgemäß und korrekt arbeitet. Auffälligkeiten stellten die Kommissionen lediglich in den Universitätskliniken Berlin, Göttingen und Essen fest.

Bei der bereits früher begonnenen und im Berichtszeitraum abgeschlossenen Prüfung des Herztransplantationsprogramms des Deutschen Herzzentrums Berlin mussten Richtlinienverstöße beanstandet werden. Das betroffene Transplantationszentrum hatte auf diese Verstöße bereits zu Beginn der Prüfung hingewiesen und diese auf eigene Initiative der zuständigen Staatsanwaltschaft und dem zuständigen Ministerium gemeldet. Es konnte darüber hinaus festgestellt werden, dass von Frühjahr 2014 an keine Anhaltspunkte mehr für systematische Verstöße oder Manipulationen vorlagen.

Auch bei der ebenfalls bereits früher begonnenen und in diesem Berichtszeitraum abgeschlossenen Prüfung des Lebertransplantationsprogramms des Universitätsklinikums Göttingen stellten die Experten systematische Richtlinienverstöße fest. Hierbei ging es u. a. um die Abklärung der Alkoholkarenz bei alkoholbedingter (äthyltoxischer) Leberzirrhose bis zum Jahre 2011. Es wurde jedoch deutlich, dass sich das Zentrum nach der Prüfung in der letzten Prüfungsperiode von 2013 an im Wesentlichen richtlinienkonform verhalten und auch Fehler aus der Vergangenheit korrigiert hat. Für die nachfolgenden Jahre stellten die Kommissionen daher keine Anhaltspunkte mehr für systematische Richtlinienverstöße fest.

Auch bei der bereits früher begonnenen und im Berichtszeitraum abgeschlossenen Prüfung des Lebertransplantationsprogramms des Universitätsklinikums Essen mussten die Prüfer systematische Richtlinienverstöße beanstanden. Hierbei handelte es sich um Verstöße gegen die Ausnahmeregelung zur Anmeldung auf die Warteliste bei Vorliegen eines Leberkrebses (hepatozelluläres Karzinom). Zum anderen wurde hier ebenfalls die Frage der Alkoholkarenz bei äthyltoxischer Leberzirrhose nicht ausreichend abgeklärt. Weiterhin stellten die Kommissionen in erheblichem Umfang Verstöße gegen die Regeln des beschleunigten Vermittlungsverfahrens (sog. Rescue-Allocation) fest. In diesem Zusammenhang hatte das Zentrum auch gegen die Verpflichtung verstoßen, die Gründe für die Auswahlentscheidung zu dokumentieren.

Mit Blick auf die in den Richtlinien geforderte sechsmonatige Alkoholkarenz der Patienten teilte Rinder mit, dass die noch ausstehenden Prüfungen fortgesetzt werden. Zwar gehe die Entscheidung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 28. Juni 2017 davon aus, dass der „strikte Ausschluss“ von der Warteliste vor Ablauf von sechs Monaten unter anderem die Ermächtigungsnorm von § 16 Abs. 1 TPG überschreite und daher nicht strafrechtsbegründend sei. Die Aussage des Senats beziehe sich jedoch auf eine Regelung, die zum Zeitpunkt der angeklagten Regelverstöße gültig gewesen, aber bereits vor zwei Jahren geändert worden sei. Bis August 2015 schrieb die Richtlinie eine sechsmonatige Alkoholkarenz als strikte Voraussetzung einer Aufnahme in die Warteliste vor. Seither gilt eine vom Bundesministerium für Gesundheit genehmigte Neufassung, die eine Ausnahmeregelung vorsieht. Die Kommission stehe deshalb weiterhin in der Pflicht, die Alkoholkarenz der Patienten unter besonderer Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und damit die Einhaltung der Richtlinie zu überprüfen.

Prof. Dr. jur. Hans Lilie, Vorsitzender der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer, betonte ausdrücklich die Bedeutung des Urteils des Bundesgerichtshofs: „Die Richtlinien der Bundesärztekammer sind nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs eine Form exekutiver Rechtsetzung.“ Lilie hob hervor, dass es bereits seit 2013 strafbewehrt verboten sei, bei der Meldung an Eurotransplant den Gesundheitszustand eines Patienten unrichtig zu erheben, zu dokumentieren oder einen unrichtigen Gesundheitszustand zu übermitteln, um Patienten zu bevorzugen. „Wer gegen dieses Verbot verstößt, kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft werden“, so Lilie.

Er erinnerte daran, dass die Bundesärztekammer bereits unmittelbar nach dem Göttinger Transplantationsskandal im Jahr 2012 eine Gesamtrevision der Richtlinien zur Organtransplantation eingeleitet hat. „Vor dem Hintergrund des Urteils des 5. Strafsenats sind die Bundesärztekammer als Richtliniengeberin, die Trägerorganisationen der Prüfungskommission, das Bundesministerium für Gesundheit sowie die Obersten Landesgesundheitsbehörden übereinstimmend der Auffassung, die Gesamtrevision verstärkt fortzusetzen und alle Richtlinien für die Wartelistenführung und Organvermittlung strukturiert einer systematischen Aktualisierung zu unterziehen“, so Lilie.

Prof. Dr. jur. Ruth Rissing-van Saan, Leiterin der Vertrauensstelle Transplantationsmedizin, gab einen Überblick über die Arbeit der Vertrauensstelle. Deren Aufgabe ist es, auf vertraulicher Basis Hinweise auf Auffälligkeiten im Bereich der Organspende und der Organtransplantation entgegenzunehmen und in Kooperation mit der Prüfungskommission und der Überwachungskommission zu klären. Die Vertrauensstelle ist ein von den Strafverfolgungsbehörden unabhängiger Ansprechpartner vor allem für Patienten und deren Angehörige sowie für alle interessierten Bürger. „Im vergangenen Jahr sind insgesamt 35 Eingaben bei der Vertrauensstelle eingegangen“, berichtete Rissing-van Saan. Neben anonymen Anfragen sei die Vertrauensstelle auch von Beschäftigten in Transplantationszentren sowie von anderen in das Transplantationsgeschehen eingebunden Stellen kontaktiert worden. „Immer häufiger gehen bei uns aber auch Fragen zur Lebendspende und zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern ein. Bei den Eingaben zur Lebendspende geht es häufig um Fragen zu Kostentragung für Rehabilitations- und Anschlussheilbehandlungen sowie Entschädigungen für den Verdienstausfall des Spenders“, sagte Rissing-van Saan.

Abschließend appellierte Lippert an die Zentren, ihre Patienten über das Transplantationsregister, das gerade errichtet wird, zu informieren und gemäß den gesetzlichen Vorgaben aufzuklären. „Wir alle haben das Transplantationsregister gewollt und müssen nun auch dafür Sorge tragen, dass es erfolgreich umgesetzt werden kann“, forderte Lippert.

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